Alltag in der DDR

Gießener Allgemeine vom 24.08.2018, Seite 32

Roman Grafe mit Schülern der WSO

Gießen (bf). »Ordnung, Abschied, Neugier, Rebellion« steht auf den 20 Bildtafeln im Flur des ersten Stocks der Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten. Seit Freitag hängt dort die Ausstellung »Voll der Osten. Leben in der DDR«, die mit Fotos des Ostberliner Fotografen Harald Hauswald sowie Berichten und Zitaten über den Alltag jenseits der deutsch-deutschen Grenze informiert.

Zur Eröffnung waren der Journalist und Zeitzeuge Roman Grafe und Landtagsvizepräsident Wolfgang Greilich eingeladen, der die Ausstellung damit zum dritten Mal an eine Schule brachte. Für Gießen sei das Thema besonders wichtig, da hier seit 1963 das Bundesnotaufnahmelager für alle Flüchtlinge aus der DDR stand, betonte Greilich.

Lebendiger Eindruck der Zeit

Grafe berichtete den versammelten Schülern von seinem Ausreiseantrag, auf den er dreieinhalb Jahre warten musste. Im Alter von 20 durfte er in den Westen, dank einer sogenannten Familienzusammenführung. Als »Unangepasster« habe er das System der DDR infrage gestellt, hasste die grauen Wände und das Redeverbot. »Es war immer ein Balanceakt, gleichzeitig unbequem für den Staat zu sein, aber nicht im Gefängnis zu landen wie 250 000 andere«, erklärte der Referent, der bereits auf über 800 gehaltene Vorträge in ganz Deutschland zurückblickt. Grafe hat drei Bücher und diverse Filme herausgebracht und an weiteren mitgewirkt. »Nachhergeborene können durch entsprechende Medien und Zeitzeugenberichte und ein Zusammenspiel von inneren und offiziellen Bildern einen lebendigen Eindruck der Zeit bekommen «, meint der 50-Jährige.

Heutzutage sei ein wacher Blick auf die Gesellschaft mit Besinnung auf die Geschichte wichtig, um Grundwerte zu schützen und den aktuellen Alltag für die Nachwelt zu dokumentieren. Kommende Generationen würden sich auch für langweilig Erscheinendes interessieren, sagt Grafe.