Der junge Somalier und die Kreisredaktion

Gießener Allgemeine Zeitung vom 03.05.2014

Der junge Somalier und die Kreisredaktion

(agl/Foto: pad) Fast das ganze Jahr über sammeln Praktikanten – Schüler und Studenten – erste journalistische Erfahrungen in der  Kreisredaktion. Jetzt gab es eine Premiere: Ein Migrant, ein Flüchtling aus Afrika, war hier bei uns zu Gast. Denn Abdijabar Abdi Mahamud hat ein klares Ziel, er möchte Journalist werden.
Der 18-Jährige kommt aus Somalia, flüchtete vor Terroristen, lebt nun ohne seine Familie in Deutschland – und hat in den Osterferien ein freiwilliges Praktikum in der Kreisredaktion absolviert.
Mit seiner Freundlichkeit, dem Interesse am Beruf, seinem Engagement hat er uns allesamt beeindruckt. »In meinem Land können Journalisten nicht sagen, was sie wollen«, berichtet er aus seiner früheren Heimat in Ostafrika, die er 2012 zunächst in Richtung Türkei verlassen hat.
Zuvor hatte er mehr als zehn Jahre lang bei seinem Onkel in der Hauptstadt Mogadischu gelebt. Geboren wurde er in El Buur. Dort leben auch seine Eltern und seine sieben Geschwister.
In Mogadischu ging Abdi mit seiner Cousine eines Tages eine Straße entlang, als die beiden von einer Terroristengruppe überfallen und geschlagen wurden. Die Narben an Abdis Arm sind nicht zu übersehen. Die Terroristen störten sich daran, dass eine Frau und ein Mann, die nicht miteinander verheiratet sind, sich gemeinsam in der Öffentlichkeit zeigten. Und sie versuchten, Abdi zu rekrutieren. »Die wollen Leute unter 18«, erklärt unser Praktikant. Sein Onkel wollte, dass sein Neffe das Land verlässt, ein sicheres Lebenführen kann. Abdi stieg ins Flugzeug, reiste in die Türkei. Über Griechenland und Ungarn kam er dann nach Deutschland.
Heute lebt er in Lindenstruth. An der Gießener Friedrich-Feld-Schule strebt er den Hauptschulabschluss an. Dafür, dass Abdi gerade mal ein Jahr in Deutschland wohnt, kann er richtig gut deutsch sprechen.
Neben dem Alltag in der Redaktion begleitete er Lokalredakteure zu Terminen. Er lernte einen Bürgermeister kennen, erfuhr außerdem, was sich hinter dem Wort Kunstleitpfosten verbirgt und durfte eine junge Frau interviewen, die sich gerade auf einen Floristen-Wettbewerb vorbereitet hat. Beim Besuch im Wiesnfest-Zelt in Watzenborn-Steinberg bekam Abdi zudem etwas von der bayerischen Lebensart mit, lernte Weißwurst, Weißbier und Dirndl kennen. Er fragte viel, wollte alles mögliche über die Arbeit des Redakteurs wissen.
Nun will er weiter Deutsch lernen, denn er glaubt fest daran, dass es mit seinem Berufswunsch klappt. Und: Die Redakteure der Kreisredaktion sind dankbar, dass er zwei Wochen bei uns war. Er hat unseren Horizont ein gutes Stück erweitert.