Kicken, Klettern, Respektieren
Gießener Anzeiger vom 21.04.2015
GIESSEN – (fm). Furioser Auftakt für das Projekt „Willkommen beim Sport“: Schon vor dem offiziellen Beginn war die Stimmung der rund 130 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge prächtig. Allgemeine Fröhlichkeit, lautes Lachen und ein vielsprachiges Stimmengewirr ließen auf Anhieb erkennen, dass der zum ersten Mal durchgeführte Sporttag „ein gelungener Brückenschlag zwischen den Kulturen“ sein würde. Der Sportkreis Gießen hatte dazu in die Doppelturnhalle der Liebigschule eingeladen.
„Sport ist eine universelle Sprache, die weltweit verstanden wird“, rief Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz den vom Caritasverband betreuten Jugendlichen zu. Diese bedankten sich mit stürmischem Applaus für die Zusage der Sozialdemokratin, dass der neue Sportaktionstag „nicht einmalig bleiben“ solle. „Ich bin froh, dass Sie hier in Gießen sind und hoffe, dass wir Ihnen eine neue Heimat geben können“, betonte Grabe-Bolz. Sport sei „die beste Plattform, sich miteinander zu verbinden und gemeinsam Schwierigkeiten zu ertragen“, sagte auch der Sportkreisvorsitzende Prof. Heinz Zielinski. Und fügte hinzu: „Respekt füreinander ist die Herausforderung für die Zukunft.“
Die jugendlichen Teilnehmer – überwiegend Jungs – kommen aus rund 20 verschiedenen Nationen. Die Palette reichte von Äthiopien, Afghanistan, Bangladesch über Eritrea und Kurdistan bis nach Pakistan, Syrien und zu anderen Krisengebieten der Welt. Vor allem würden sich die Jungen riesig aufs Fußballspielen freuen, sagte Eva Apfelstedt, Sozialpädagogin der Caritas, im Gespräch mit dem Anzeiger. Fast alle von ihnen seien mit Unterstützung von Fluchthelfern nach Gießen gekommen und in den fünf Clearinggruppen und zwei Notunterkünften (Hotel am Ludwigsplatz, Wohnheim im Wartweg) untergebracht. Wegen ihrer Sportbegeisterung habe man in Kooperation mit der Gesamtschule Gießen-Ost und der Liebigschule Hallenzeiten zum Trainieren verabredet. Gießens Stadtverordnetenvorsteher Egon Fritz, den Zielinski als „ehemaligen Fußballer, der in der Oberliga gespielt hat“, vorstellte, überbrachte die guten Wünsche des Stadtparlaments und lud die Jugendlichen zu einem Besuch im Rathaus und zur Teilnahme an einer Sitzung der Stadtverordneten ein.
Große Leidenschaft
Fußball sei seine große Leidenschaft, sagte der vor zwei Monaten nach Gießen gekommene Granit; der 17-Jährige spielte schon drei Jahre im Kosovo aktiv. Ähnliches berichtete der gleichaltrige Albaner Fetah, der auf zwei Jahre Fußballtraining zurückblickt. Begeistert von dem Ballspiel zeigten sich auch die afghanischen Brüder Mohsen und Majid, die ebenfalls erst seit zwei Monaten in Gießen sind. Dass Sport immer ein großes Thema ist, bestätigte die Schulleiterin der Friedrich-Feld-Schule, Annette Greilich. Dort werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zurzeit in sechs Klassen betreut. Verantwortliche Lehrerin ist Edeltraud Alavi. Zudem gibt es sieben Klassen für sogenannte Seiteneinsteiger. Deutschunterricht erhalten an der Schule 160 Jugendliche.
Schon bei dem als Aufwärmtraining gedachten freien Sport waren die Jugendlichen mit Feuereifer bei der Sache. Ob an der Tischtennisplatte, beim Klettern am Seil oder beim Kicken in der Halle. Höhepunkt war allerdings das vom Schulsportkoordinator der „Lio“, Gerald Moos, und seinem Team organisierte Fußballturnier. Insgesamt beteiligten sich 16 Mannschaften mit je acht Spielern. Nach 26 Partien standen sich im Finale zwei Teams aus dem Wartweg gegenüber. Am Ende erhielten alle eine schmucke Urkunde. Denn natürlich standen Respekt und Fairplay im Vordergrund, betonte Dr. Klaus Dieter Greilich als Organisator der Veranstaltung und stellvertretender Sportkreisvorsitzender. Den Abschluss bildete dann ein „musikalisches Finale Furioso“ mit Behzad Borhani von der Sportjugend.
Im Rahmen seines Programms „Willkommen beim Sport“ bietet der Sportkreis in der Zeit zwischen den Oster- und Sommerferien wöchentliche Sporteinheiten für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge an. In Kooperation mit dem MTV 1846 Gießen ist zudem für den 19. Juli eine Abschlussveranstaltung auf dem Sportgelände am Heegstrauchweg geplant.
