Ne­ben Leh­rer und Freund auch Trös­ter

Gießener Anzeiger vom 13. Mai 2017, Seite 11

FLÜCHT­LIN­GE An der Wirt­schafts­schu­le am Os­walds­gar­ten lau­fen seit zehn Jah­ren meh­re­re Pro­jek­te zur För­de­rung von Spra­che und In­teg­ra­ti­on

GIES­SEN (wf). Das Ober­stu­fen­pro­jekt „Spra­che als Brü­cke zur In­teg­ra­ti­on“ an der Gie­ße­ner Wirt­schafts­schu­le am Os­walds­gar­ten (WSO) – vor­mals Fried­rich-Feld-Schu­le – be­steht seit zehn Jah­ren. Als „Her­zens­sa­che“ ins Le­ben ge­ru­fen von Edel­traud Ala­vi, Leh­re­rin an der Be­rufs­schu­le und Vor­stands­mit­glied in der Ver­ei­ni­gung der Freun­de, För­de­rer und Ehe­ma­li­gen. Seit 2007 ha­ben im Rah­men des Pro­jekts rund 320 Ab­itu­rien­ten des Wirt­schafts­gym­na­si­ums der WSO et­wa 750 Ju­gend­li­che aus gut 25 Na­tio­nen und un­ter Lei­tung von Edel­traud Ala­vi und Sven­ja Hün­ding (2011-2015) be­treut. Auf frei­wil­li­ger Ba­sis. Um der Sa­che wil­len.

In der Au­la wur­de die­ser run­de Ge­burts­tag jetzt ge­fei­ert mit Mu­sik – der Tromm­ler­grup­pe von Ibra­him Ba –, Ge­sang mit An­selm Rich­ter und ei­nem Chor aus Mig­ran­ten und Ab­itu­rien­ten so­wie Wort­bei­trä­gen. Aber nicht nur fröh­lich und schon gar nicht aus­ge­las­sen. Denn all­zu schwer und be­la­stend liegt ge­ra­de die jün­ge­re Ver­gan­gen­heit auf zahl­rei­chen der am Pro­jekt teil­neh­men­den Ju­gend­li­chen, die oft auf trau­ma­ti­sche Wei­se und le­bens­ge­fähr­li­chen We­gen aus Kri­sen- und Kriegs­ge­bie­ten nach Deutsch­land ge­kom­men sind.

Es war Ad­nan Bou­zan, ein jun­ger Mann aus Sy­rien, der seit 19 Mo­na­ten in Gie­ßen lebt und glü­cklich und dank­bar über die­se Tat­sa­che ist, der in ein­drü­ckli­cher Wei­se – und mit be­reits be­ein­drucken­den Deutsch­kennt­nis­sen – das schil­der­te, was in sei­nem von Bürg­er­krieg ge­schüt­tel­ten Hei­mat­land Un­be­greif­li­ches ge­schieht. „Es gibt die­sen Krieg. Aber wa­rum, das wis­sen wir nicht. Je­den Tag ster­ben Men­schen. Und nie­mand sagt uns, wa­rum. Was sind das für Men­schen, die seit sechs Jah­ren Krieg füh­ren?“ Die­se Ge­dan­ken be­schäf­ti­gen den jun­gen Mann Tag für Tag auch in Deutsch­land, wäh­rend in Sy­rien die Grau­sam­kei­ten wei­ter­ge­hen.

Jan Bink­hoff, stell­ver­tre­ten­der Schul­lei­ter, und Dr. Ralf Sieb­ert, an der WSO für die In­teA-Klas­sen (In­teg­ra­ti­on und Ab­schluss) zu­stän­di­ger Ab­tei­lungs­lei­ter, be­kräf­tig­ten aus­drü­cklich den Zu­sam­men­hang der WSO-Pro­jek­te „Spra­che als Brü­cke zur In­teg­ra­ti­on“ und „Da­Zu­Ler­nen“ (DaZ, Deutsch als Zweits­pra­che) mit dem Er­le­ben der jun­gen Flücht­lin­ge. Als wei­te­rer Bau­stein zur Sprach­in­teg­ra­ti­on kam 2009 das Mu­sik­pro­jekt „Sin­gend Deutsch ler­nen“ hin­zu, das bei der klei­nen Fei­er Teil des Pro­gramms war. An die­sem Pro­jekt be­tei­ligt sich der Sän­ger und Mu­si­ker An­selm Rich­ter vom In­sti­tut für Mu­sik­wis­sen­schaft und Mu­sik­pä­da­go­gik der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gie­ßen (JLU), um da­mit sei­nen Bei­trag zur In­teg­ra­ti­on zu leis­ten. Sin­gen, so Rich­ter, spricht nicht nur den In­tel­lekt, son­dern auch die Emo­ti­on an. Und sol­le so­mit eben­so dem Hei­len von Wun­den bei den jun­gen Flücht­lin­gen die­nen.

Sven­ja Hün­ding lob­te das En­ga­ge­ment Edel­traud Ala­vis als Ini­ti­ato­rin, „Trös­te­rin“ und pä­da­go­gi­sche Lei­te­rin „ih­res“ Pro­jekts „Spra­che als Brü­cke zur In­teg­ra­ti­on“, bei dem die Schü­ler in­ter­kul­tu­rel­le und so­zia­le Kom­pe­ten­zen er­ler­nen. Ala­vi dank­te im Ge­gen­zug für die Be­reit­schaft und Ein­satz der WSO-Ab­itu­rien­ten zu­guns­ten der In­teg­ra­ti­on der jun­gen Flücht­lin­ge.

Letz­te­ren be­schei­nig­te Sieb­ert an­ge­sichts ih­res Er­le­bens und Er­lei­dens „un­heim­li­che Kraft“ so­wie Be­reit­schaft und Fä­hig­keit, „sich hier zu ver­or­ten und zu ver­wur­zeln“. Ala­vis Dank ging zu­dem an die För­de­rer des Pro­jekts, spe­ziell des Teil­pro­jekts „Sin­gend Deutsch ler­nen“: dies sind die An­stoß-Stif­tung für so­zia­le Pro­jek­te in Stadt und Land­kreis Gie­ßen, die Liz Mohn Kul­tur­stif­tung Gü­ters­loh, der So­rop­ti­mist-Club Gie­ßen, das Mu­sik­haus Schö­nau und das Stadt­thea­ter Gie­ßen. (Foto: Ewert)