Treffen der Aktionärsfamilie

Gießener Anzeiger vom 23.05.2015

Treffen der Aktionärsfamilie

WETZLAR/ASSLAR (red). Ein Aktionärstreffen ist staubtrockene Materie? Nicht bei Pfeiffer Vacuum. Aus dem Aßlarer Pumpenspezialisten ist längst ein internationaler Konzern geworden, doch seine Hauptversammlungen bleiben familiäre „Happenings“.

Einmal im Jahr atmet die Stadthalle Wetzlar Börsenluft. Das einzige TecDax-Unternehmen der Region bleibt der Heimat treu. Ein Wechsel der Aktionärstreffen an den Finanzplatz Frankfurt stand bei Pfeiffer Vacuum nie zur Debatte. Dafür gibt es – neben den Kosten – mindestens zwei gute Gründe, erklärt Eerik Budarz, verantwortlich für die Investor Relations und die Organisation der Versammlung. Zum einen stammen viele Aktionäre aus dem näheren Umkreis. Zum anderen sind die Veranstaltungen komplett „hausgemacht“.

Während andere Börsen-Unternehmen Agenturen beauftragen, übernehmen bei Pfeiffer Vacuum gut 30 eigene Mitarbeiter aus allen Abteilungen die Aufgaben vom Empfang der Anteilseigner über deren Bewirtung, Aufbau, Stimmzettelausgabe, Saaltechnik oder fungieren als Parkeinweiser. „Alle freiwillig. Für viele ist das eine willkommene Abwechslung“, weiß Corinna Wagener. Das alles sorgt für den familiären Charakter. Die Aktionäre kommen gern. Und immer wieder. Man kennt sich. Es gibt sogar die von weither, die regelmäßig die Nacht vor der Versammlung in ihren Wohnmobilen auf dem Firmenparkplatz in Aßlar campieren.

„Viele Aktionäre der ersten Stunde sind uns bis heute treu“, sagt Budarz. Aktionärin der allerersten Stunde und dazu noch die an Jahren älteste Aktionärin ist eine 90-jährige Dame aus Frankfurt, die namentlich nicht genannt werden möchte. Früher war sie Bankerin, heute führt sie in Frankfurt eine kulturelle Stiftung an. Mit dem allerersten Börsengang von Pfeiffer Vacuum kaufte sie 1996 in den USA ihre ersten Anteile. Seitdem ist sie bei jeder Hauptversammlung dabei, fährt im eigenen Pkw nach Wetzlar und tritt gerne bei der Aussprache ans Rednerpult. Auch wenn sie kontroverse Diskussionen mag, die stets vergleichsweise harmonischen Treffen bei Pfeiffer Vacuum schätzt die Kunstmäzänin aus der Main-Metropole, deren Pflichtlektüre die Börsen-Zeitung ist, sehr. Sie ist gerne hier. Und wird sofort vermisst, sobald sie einmal nur ein paar Minuten zu spät ist.

Regelmäßig nimmt auch ein 69-jähriger früherer Mitarbeiter und heutiger Aktionär von Pfeiffer Vacuum teil. „Für mich ist das sehr spannend hier. Ich treffe viele ehemalige Kollegen“, sagt der Aßlarer. Ein Aktionär aus Marburg lobt, dass das Unternehmen seine Anteilseigner sehr wertschätze. „Man kann sich hier ein gutes Bild von der Entwicklung des Unternehmens machen“, sagt der 63-Jährige. Andere Aktien besitze er nicht: „Ich habe mein ganzes Geld in Pfeiffer Vacuum investiert.“

Regelmäßig lädt der Vakuum-Spezialist Schulklassen zur Versammlung ein. Diesmal die Klasse 12G1 von der Friedrich-Feld-Schule Gießen und die Berufsschulklasse 11 BA 1 von der Wetzlarer Theodor-Heuss-Schule. Franziska und Lorena, beide 18 und auf dem Weg zum Wirtschaftsabitur, finden den ersten Besuch einer Aktionärsversammlung „sehr interessant“. Trockene Materie? Ganz und gar nicht, sagen die jungen Frauen. „Schließlich geht´s hier um die Themen, die wir jeden Tag in der Schule haben.“